Den Unmut der Landwirte nachzuvollziehen, fällt nicht schwer, so lautet das Fazit der Initiative ZUKUNFT.ödp. nach den landesweiten Protestaktionen. Dennoch hätte sie sich einen anderen Anlass für diese Proteste gewünscht, denn weder die KfZ Steuer noch die Dieselsteuer seien das Hauptübel, das es zu bekämpfen gilt. Die Fehlentwicklung im Agrarsektor habe eine lange Tradition, die von allen Regierungen der letzten Jahrzehnte, am längsten aber von den sechs Landwirtschaftsministern der CDU/CSU zu verantworten sei, so die Initiative.

Kampf um Wähler statt echter Handlungswille
Die gleichen Politiker gesellen sich nun zu Protestaktionen, posieren meist recht farbig gekleidet und umringt von Landwirten und Traktoren auf Selfies für die sozialen Medien. Im Gepäck haben sie heißen Kaffee und warme Worte des Mitgefühls, nicht aber Selbstreflexion, Entschlossenheit und Tatkraft. Letztere wären aber nötig, um der Fehlentwicklung zu begegnen, zumindest auf lokaler Ebene. Jeden Tag gehen allein in Bayern weit über 10 ha Land verloren – häufig zu Lasten landwirtschaftlicher Flächen und zu Gunsten großer Einkaufszentren. „Das ist der sehr viel größere, irreversible Schaden für die Landwirtschaft, und doch machen die meisten Gemeinde- und Stadträte einfach ohne viel Nachdenken mit“ mahnt Ulrike Schneider, Vorsitzende der Initiative ZUKUNFT.ödp. Jede Ansiedlung eines Discounters oder eines großen Einkaufszentrums wird als Fortschritt verkauft, obwohl es die Konzentration auf wenige Einzelhandelsketten und die damit einhergehende Preispolitik zu Lasten der Landwirtschaft befördert. „Billig und viel“ statt „gut und nachhaltig produziert“ sind die Prämissen, denen die Politik den roten Teppich ausrollt – seit Jahrzehnten. Die Landwirte jetzt darin zu unterstützen, die Proteste auszudehnen, sei nichts weiter als vorgezogener Wahlkampf in der Hoffnung, auf Bundesebene bald wieder an die Schalthebel der Macht zu kommen. „Eine populistische Farce, die weiteren Populisten den Weg ebnen wird, weil so langsam jegliches Vertrauen in die Politik verloren
geht“, so Schneider nachdenklich.
Was den Bauern wirklich helfen würde
Jetzt wo die Kürzungsvorschläge wenigstens teilweise zurückgenommen wurden, wäre ein guter Zeitpunkt, gemeinsam daran zu arbeiten, 1. die Marktstellung der Landwirte zu verbessern, so dass die Erzeugerpreise nicht weiter von Molkereien und Schlachthöfen festgelegt werden, sondern von den Erzeugergemeinschaften der Bauern – von unten nach oben, wie das in allen anderen Branchen auch üblich ist 2. zum Umbau der Tierhaltung die Empfehlungen der Borchert-Kommission umzusetzen 3. Umweltmaßnahmen gerecht zu entlohnen, statt nur den höheren Aufwand zu ersetzen. 4. die GAP-Prämien gerecht zu verteilen, um nicht länger über Flächenprämien Großbetriebe überproportional zu fördern 5. die Höhe der Junglandwirteförderung nicht weiter nach der Betriebsfläche zu bemessen 6. von der geplanten schrittweisen Abschmelzung der Dieselverbilligung Betriebe bis 10 000 Liter Jahresverbrauch auszunehmen.
Fazit
Die Märkte und Marktregeln müssen so gestaltet werden, dass die landwirtschaftlichen Einkommen Rücklagen ermöglichen, um steigende Kosten aufzufangen. Agrarpolitische Fehlentscheidungen und Versäumnisse können nicht auf Dauer durch Sonderregelungen und Ermäßigungen ausgeglichen werde.
